Antwort von SRF auf den Offenen Brief vom 28.01.2022

Da der offene Brief von SRF beantwortet wurde, möchte ich meinen Lesern die Stellungnahme von Dominik Meier, Moderator der Rundschau, nicht vorenthalten. Allerdings enthält das Schreiben nicht nur Antworten, sondern für mich stellen sich neue Fragen. Ich erlaube mir, zu den einzelnen Argumenten ebenfalls Stellung zu beziehen (im Brief fett markiert) oder neue Fragen aufzuwerfen.

Doch zuerst einmal die Antwort in voller Länge:

Sehr geehrter Herr Wanzenried

Sie haben auf Ihrer Website einen Text publiziert über mein Gespräch mit Marc Jost, Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz. Per Mail weisen Sie uns auf diesen Text hin. Sie kritisieren, dass ich Herrn Jost unterbrochen, ihn diffamiert und mit Unterstellungen gearbeitet hätte. das Gespräch gewesen. Gerne nehme ich zu Ihrer Kritik Stellung.

Ganz grundsätzlich: Die Rundschau führt mit ihren Gästen seit jeher kontroverse Interviews – das ist eine bestimmte Gattung von Interview, bei der die Interviewer konsequent die Argumente der Gegenseite einbringen, nachhaken und hartnäckig auf konkreten Antworten beharren – mit meinen eigenen Ansichten haben meine kritischen Fragen als Moderator hierbei gar nichts zu tun. Unsere Gäste wissen das und wissen somit, auf was sie sich einlassen. Ich nehme in solchen Gesprächen als Moderator eine Rolle ein – nicht die eines neutralen, klärenden Fragenden. Sondern die eines journalistischen «Herausforderers». Das kontroverse Interview wird bei SRF auch von der Radio-Samstagsrundschau gepflegt. Es unterscheidet sich stark von anderen Interviewformen wie z.B. dem klärenden Interview, wie es das Radio-Tagesgespräch pflegt.

Zum Gespräch mit Herrn Jost: Marc Jost befand sich in einer schwierigen Lage: Die Reportage hat «entlarvt», dass unter dem Dach seines Verbands eben doch Konversions-Therapien oder -Seelsorge gemacht wird (obwohl stets das Gegenteil behauptet wird). Davon musste er sich distanzieren – ohne dabei seine mitunter sehr konservative Basis vor den Kopf zu stossen. Diese Aufgabe war sehr schwierig für ihn. Bestimmt haben sie seine Nervosität bemerkt. Im Gespräch hat Herr Jost verschiedentlich weit ausgeholt statt die konkrete Frage zu beantworten. In einer Live-Sendung mit Zeitbudget 6 Minuten muss ich in solchen Situationen intervenieren und das Gespräch auf die wesentlichen Punkte zurückführen. Optimal ist das nicht. Es kann mir ausgelegt werden als Unhöflichkeit – oder eben, wie in Ihrem Fall als «nicht zuhören wollen». Beides war und ist nie meine Absicht. Bei Ihnen ist der Eindruck dennoch entstanden. Ich bedauere das. Und ich versichere Ihnen: Jegliche aufrichtig gemeinte Kritik nehme ich ernst und lasse sie einfliessen in meine weitere Arbeit.

Zu einigen Detailfragen:

  • Sie hatten den Eindruck, wir würden nicht mehr verstehen wollen, warum manche Christen «so denken, sie sie denken». Ich halte dem entgegen, dass Herr Jost fast 7 Minuten Zeit hatte, sich zu erklären. 7 Minuten sind eine lange Zeit im TV.
  • Sie unterstellen mir, ich hätte Herrn Jost unterstellt, er wolle einem Verbot nicht zustimmen. Dem ist nicht so. Herr Jost sagt und sagte ganz offen, dass er ein Verbot ablehnt.
  • Sie unterstellen mir, ich hätte Herrn Jost unterstellt, er halte die Formulierung bewusst schwammig. Da ist etwas dran: Letztlich drehte sich die intensive Live-Diskussion ja um die Frage, ab welchem Punkt Seelsorge/Beratung/Therapie mit verzweifelten Homosexuellen einen Konversionsversuch darstellt. Herr Jost lehnt ein Verbot v.a. deshalb ab, weil er befürchtet: Bei einem Verbot würde Seelsorge/Beratung/Therapie mit verzweifelten Homosexuellen unter einen Generalverdacht gestellt. Dabei gehe es ja nur um Begleitung – um einen essentiellen Auftrag der Seelsorge. Dem hielt ich entgegen, dass Heilsarmee und die verdeckt gefilmten Therapeutinnen im Nachhinein uns gegenüber auch gesagt hätten, sie machten blosse Begleitung und keine Konversion. Die Aufnahmen aber würden das Gegenteil beweisen. Später argumentierte ich, das beste sei doch, angesichts der schwierigen Vergangenheit von solchen Fällen einfach die Finger zu lassen und diese Menschen zu professionellen Fachleuten zu schicken. Da widersprach Herr Jost – diese Grenzziehung will er nicht machen. Ich denke: Der Schluss, er halte die Grenzen bewusst schwammig, ist pointiert, aber zulässig.
  • Sie unterstellen uns eine maliziöse Gesinnung, wonach wir auf das Gespräch mit Schulterklopfen reagiert hätten. Das weise ich entschieden von mir. So ticken wir nicht. Es wäre stark in unserem Interesse gewesen, wenn das Gespräch inhaltlich argumentativer, schneller und dadurch gehaltvoller gewesen wäre.

Zuletzt noch zur Reportage mit versteckter Kamera: Natürlich haben Sie recht – eine solche Übungsanlage ist heikel. Wir bei SRF kennen dafür auch strikte interne Genehmigungs-Abläufe. Einsätze mit versteckter Kamera kommen nur in Frage, wenn sich die Realität mit anderen Mitteln nicht abbilden lässt. Das ist im Fall von Konversions-Angeboten klar der Fall. Sämtliche Organisationen und AnbieterInnen in dem Bereich erklären gegen aussen vehement, dass sie keine solche Therapien oder Seelsorge machen würden. Das Gegenteil konnte nur mit dieser Methode belegt werden. Ich kann Ihnen mit reinem Gewissen versichern, dass wir nichts inszeniert haben. Ich habe die Rohaufnahmen allesamt durchgeschaut und kann Ihnen diese Garantie geben.

Sehr geehrter Herr Wanzenried, ich hoffe, Sie können meinen Zeilen auch etwas abgewinnen. Vor allem aber hoffe ich, dass Sie uns als kritischer Rundschau-Zuschauer erhalten bleiben.

Freundliche Grüsse

Dominik Meier

 

Dominik Meier
Moderator Rundschau

Schweizer Radio und Fernsehen

Format der Rundschau

Herr Meier erklärt, dass die Rundschau ein spezielles Format ist, wo in kontroversen Interviews der Interview-Partner mit den Argumenten der Gegenseite immer wieder konfrontiert wird und hartnäckig auf konkrete Antworten beharren. Aber macht das für alle Fragestellungen Sinn? Wenn ein Thema nicht einfach mit JA oder NEIN beantwortet werden kann und, wie auch erwähnt vom Moderator, das Zeitbudget nur 6 Minuten ist, wird dann diese Sendung nicht zur Farce? Zumal auf konkrete und schnelle Antwort gepocht wir, die der Interviewte nicht zu geben im Stande ist?

Wer setzt den Massstab?

Leider ging Herr Meier nicht auf meine Feststellung aus dem ersten Artikel ein:

Zunehmend stelle ich fest, dass die neutrale Berichterstattung einer vorgefassten, institutionell gefärbten Meinungsmache weicht.

Aber das nimmt mich wunder: Wer setzt den Massstab, welche Seite falsch liegt? Woran wird neutral entschieden, welche Standpunkte RICHTIG und welche FALSCH sind? Denn wenn es weder ein RICHTIG noch ein FALSCH gäbe, müsste entweder in der gleichen Sendung oder in folgenden Sendungen, die Gegenseite „in die Mangel“ genommen werden, damit die neutrale Berichterstattung von SRF gewährleistet ist. So wie in der Tagesschau immer erwähnt wird, dass PRO oder KONTRA „schon berichtet haben“ oder noch „zu einem späteren Zeitpunkt ihren Standpunkt klar machen“. Dort funktioniert es ja auch. Was ist die Richtschnur von SRF?

Falsch verstanden

Sie unterstellen mir, ich hätte Herrn Jost unterstellt, er wolle einem Verbot nicht zustimmen. Dem ist nicht so. Herr Jost sagt und sagte ganz offen, dass er ein Verbot ablehnt.

Dominik Meier

Da hat Herr Meier meine Aussage falsch interpretiert. Ich schrieb:

Wieso wurde Marc Jost dreimal unterbrochen mit der unbegründeten Unterstellung, einfach kein Verbot zu wollen, um weiter Umpolungsversuche von homosexuell Empfindenden tolerieren zu können? 

Stefan Wanzenried

Ich wollte damit aussagen, dass bspw. die Aussage in Minute 18 «sie wollen doch nur den jetzigen Zustand zementieren» eine Unterstellung ist. Nämlich „kein Verbot zu wollen, um weiter Umpolungsversuche tolerieren zu können“ in seinem Verband. Warum Marc Jost tatsächlich kein Verbot will, dazu hatte er keine Gelegenheit, bzw. Zeit.

Zu guter Letzt

War es in diesem Fall gerechtfertigt mit einer versteckten Kamera vorzugehen, auch wenn dies nur unter strengen Auflagen bei SRF möglich ist?

Die Fragen gehen nicht aus.

Bedenklich fand ich zudem die offene und primitive Anfeindungen in Social Media zu meinem Beitrag, deren Verfasser ich kommentarlos sperren musste.

Vielleicht hast du als Leser noch Antworten oder Teilantworten, vielleicht aber einfach auch noch gute Gedanken. Dann lass mich diese im Kommentarfeld wissen. Ich bitte um Sachlichkeit. Besten Dank.

Euer Stefan Wanzenried

4 Kommentare zu „Antwort von SRF auf den Offenen Brief vom 28.01.2022

Gib deinen ab

  1. Lieber Stefan,
    danke für deine Bemühungen. Ich habe das .rec-Video auf youtube (https://www.youtube.com/watch?v=zfQLQBh_ZmY&t=2s&ab_channel=SRFDok) kommentiert. Es geht in eine ähnliche Richtung, wie dein Beitrag:
    Livio, ich staune über den Mut, den du hast, dich so persönlich in ein Thema zu investieren und dich auch in den medialen Wind zu stellen. – Nur bist du nicht irgendeine Person. Du bist srf-Journalist und trägst Verantwortung für das, was du als Reporter tust. Ganz gleich, ob eure Rechtsabteilung dir grünes Licht für diese illegal verdeckten Ermittlungen gegeben hat – für mich handelst du in einer Weise, die die betroffenen Seelsorger ihrer Würde beraubt. Du lügst ihnen eine Geschichte vor, damit sie dir das bestätigen, was du recherchieren willst. Das ist eine niederträchtige Art und Weise, wie du ihr Vertrauen in dich als Hilfesuchenden hintergehst. Versteh mich richtig. Ich empfinde, dass zwei der drei Seelsorger dich niemals in dieser Weise hätten beraten dürfen. Du deckst eine Art und Weise der Seelsorge auf, die ich selbst als echt problematisch empfinde. Trotzdem ist die Art, wie du in dieser .rec-Story journalistisch arbeitest völlig unfair, unehrlich, undifferenziert und in meinem Augen übergriffig. Und du tust das, um eine Wahrheit ans Licht zu bringen, die deine Wahrheit ist. Und die ist: Gleichgeschlechtliche Menschen können gar keine Zweifel an ihrer sexuellen Identität haben, dürfen das niemandem sagen und dürfen in ihrer Not auch keine Hilfe suchen. In meinen Augen ist deine Sicht ist eng und ziemlich stark vom Mainstream abhängig. Heute war der spannende Artikel über Voltaire, einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Aufklärung, in der NZZ „Er hat alle Wahrheiten zertrümmert.“ Livio, Voltaire würde auch deine und meine Wahrheiten zertrümmern, weil er nicht anders Denkende (in diesem Fall solche, die ein Gespräch mit jemandem führen möchten, weil sie an ihrer sexuelle Neigung leiden) tolerieren würde. Ich empfinde, dass du einmal mehr die üblich medialen Feindbilder bedienst. Das ist zu einfach. Bitte lerne von Voltaire. Er hat andere Erkenntnisse und Meinungen wertgeschätzt und geachtet – auch wenn er selbst total anders gedacht hat. – Wenn du es aushältst, dann mach doch mal ein Interview mit jemandem, der an seinen sexuellen Neigungen gelitten, in Beratung kompetente Hilfe gefunden und heute ein sexuell erfüllter Mensch ist (seine Identität gefunden hat). Solange ein Hetro eine Beratung sucht, wie er sich als Homo outen kann, bewegt sich kein Grashalm. Ist es jedoch umgekehrt, dann wünscht ihr euch einen Sturm, der alle anders Denkenden und Empfindenden wegfegt. Das kann ich nicht nachvollziehen. Solche Beiträge helfen mit, dass unsere Meinungsfreiheit immer kleiner wird. Wie es schon einmal war – zu Voltaires Zeiten…

    1. Lieber Beat, danke für das Posten deines Kommentars auf Yotube hier unter meinem Artikel. Treffend geschrieben und eine wunderbare Ergänzung. Nochmals herzlichen Dank.

  2. Ich habe mir die Sendungen eben angeschaut. Die Art, wie Herr Meier das Interview mit Herrn Jost führt, empfinde ich ebenfalls unhöflich. Der arme Mann, evtl nicht der beste Redner, kann überhaupt nicht sagen, was er will. Vielleicht hätte man da jemanden anderen schicken müssen, der schlagfertiger und redegewandter ist? Jedenfalls war das kein gutes Interview!

    1. Ja. das war harzig, das Interview. Aber ich weiss nicht, ob irgendjemand die Fragen, die gestellt wurden, in der Vorgabezeit schlüssig und aufschlussreich hätte erklären können. Aber Marc Jost hat später auf Twitter ihr Positionspapier publiziert, da er sich selber bewusst war, dass er nicht schlüssig antworten konnte: https://www.ideaschweiz.ch/artikel/sea-ja-zu-sexueller-selbstbestimmung
      Danke für deinen Kommentar. 🙂

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von Anders Noren.

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