Dein Gott ist zu klein!

(Eine Art Poetry Slam nach Zitat J.B. Phillips)

Du hälst es durchaus möglich, dass ein Jenseits existiert.
Du hoffst womöglich täglich, dass ein Wunder dir passiert.
Du sprichst von Transzendentem, wie ich von gutem Wein.
Doch lass es mich so sagen: Dein Gott, der ist zu klein!

Du hälst sehr grosse Stücke auf Männer und auf Frauen,
die bezeugen und auch glauben und Gott restlos vertrauen.
Sie sind dir Vorbild und du hoffst mal irgendwann, wie sie zu sein.
Doch denk daran, besinne dich: Dein Vorbild-Gott, der ist zu klein.

Du lobst Gott laut, du lobst Gott gern, du lobst aus voller Kehle.
Du bist vertraut. Im innern Kern doch lechtzt ein Teil der Seele
nach Anerkennung und nach Lob, erhofft durch brav und heil sein,
Obwohl Gott dich auch loblos liebt: Dein Gott, der ist zu klein.

Es ist doch so, dass wir nicht checken, wie Gott uns wirklich liebt!
Ich bin so froh, dass wir aushecken, doch ER endlos vergibt.
Ich bin genug – und er ist grösser. Das muss genügen für mein Sein.
Auch wenn ich schreibe diesen Vers: Mein Gott, der ist zu klein!

Denn Gott ist IMMER grösser, mein Bitten stets zu klein.
Er meint es IMMER besser, mein Hoffen nur ein Schein.
Und wenn mein Herz mich selbst verdammt und denkt: Wer bin ich bloss?
Dann hör’ ich tröstend auf sein Wort: „Komm her auf meinen Schoss!

Es war noch vor Beginn der Zeit..“, fängt ER an zu berichten,
gespannt, zum Zuhören bereit, lausch ich seinen Geschichten,
„als mir einst ein Gedanke kam, den galt es umzusetzen,
denn dieser Einfall war genial, nichts daran auszusetzen!“

„Erzähl mir mehr, erzähl mir weiter von deinem Werk und Tun!“
„Drum hör‘ mir zu und werd gescheiter von dem, was folget nun.
Vor Augen die Idee zum Jauchzen, im Herz euphorisch, vorfreudvoll,
begann das Formen meines Kunstwerks, bedeutungs- und erwartungsvoll!

Ich nahm mir Zeit für jedes Detail, perfekt sollte es werden.
Behütet wie ein kostbar‘ Erbteil, ein Unikum auf Erden!
Nicht ein Prozent davon Kopie, nur formvollendetes Design:
Von ihm wollte ich nicht hören: „Mein Schöpfer, der ist zu klein!“

Drum packte ich mein Ein und Alles in diese neue Schöpfung rein.
Sie sollt’ mir ebenbildlich werden, nicht nur ein Funktionsbaustein.
So war es auch und nach Vollendung lud ich die höchsten Engel ein.
Sie waren sprachlos, doch beteuerten, dass dies mein schönstes Kunstwerk sei.“

Dann platz‘ ich fast vor schierer Neugier und sprich die Bitte flehend aus:
„Ach zeig mir doch dein grosses Kunstwerk! Ich halte es nicht länger aus!
Ich möcht‘ es sehen und mit dir staunen, ob deinem grandiosen Werk
Ich will verstehen und dir zuraunen: „Das ist gelungen…, mit Vermerk!“

Ein Schmunzeln ist dann meist die Antwort, die Gott mir nun zu geben scheint.
Doch kurz darauf seh’ ich im Spiegel mein Konterfei, worauf ER meint:
„Dann schau es dir genaustens an und staune mit dem Himmel,
dass Du auf Erden DAS Kunstwerk bist, inmitten Menschengetümmel.

Und mit dir Milliarden andre Leben, die ich gewollt und erschaffen habe,
ich werde allen meine Zuneigung geben und meine innige Liebe als Zugabe.
Selbst, wenn sie mich noch gar nicht kennen und ihre eignen Wege gehen,
werd‘ ich mit Freude auf sie zurennen und ihnen in die Augen sehen.

Dann werd‘ ich sagen: „Mein liebstes Kind, lass dir an meiner Gnade genügen,
denn das ist mehr als alle Schätze, die dich nur um dein Leben betrügen.“
Ganz gleich, ob Looser, ob Diktator, mit Downsyndrom, als Waisenkind.
In meinen Augen alle Menschen ganz wunderbare Geschöpfe sind.“

Ich kann nicht fassen, noch begreifen, die grosse Liebe, die mich umfängt,
Sie fühlt sich an wie Sonnenstrahlstreifen und alle Ketten werden gesprengt.
Und diese Erkenntnis, die ich verstehe, brennt sich in meine Hirnrinde ein:
Wie gross ich IHN auch immer sehe: Mein Bild von Gott, das bleibt zu klein.

Stefan Wanzenried / 24.07.18

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